09.04.24

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Stagnation und Herausforderung: Die deutsche Chemieindustrie vor ungewissen Zeiten

Die deutsche Chemieindustrie durchlebt eine anhaltende Krise, geprägt von rückläufigen Umsätzen und Produktionszahlen. Laut dem Branchenverband VCI sinkt der Umsatz im zweiten Jahr in Folge, während die Produktion bereits das dritte Jahr stagniert. Die Auslastung der Fabriken liegt bei nur 77 Prozent, einem Tiefstand seit den 1990er Jahren. Die Hauptprobleme sind die weltweit schwache Nachfrage, insbesondere in Europa, und strukturelle Standortmängel in Deutschland. Hinzu kommen hohe Energiekosten, insbesondere für Gas und Strom, sowie bürokratische Hürden und eine langsame Energieinfrastruktur-Entwicklung. Der VCI kritisiert die Bundesregierung für ihr Versäumnis, diese Herausforderungen zu bewältigen, und sieht wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Besserung. Einige Unternehmen berichten zwar von einer leicht verbesserten Auftragslage, vor allem im Ausland, doch eine konjunkturelle Trendwende ist nicht in Sicht. Für 2024 erwartet der VCI einen weiteren Umsatzrückgang von 3,5 Prozent.

Umsatz- und Produktionsrückgang

Die deutsche Chemieindustrie sieht sich mit anhaltenden Herausforderungen konfrontiert, die sich in einem fortgesetzten Umsatzrückgang und stagnierender Produktion manifestieren. Im Detail ist dies das zweite Jahr in Folge, in dem die Umsätze sinken, während die Produktionsmengen nun bereits das dritte Jahr in Folge nicht wachsen. Diese Tendenzen spiegeln sich auch in der Auslastung der Fabriken wider, die derzeit nur bei etwa 77 Prozent liegt – ein Niveau, das zuletzt Mitte der 1990er Jahre erreicht wurde. Dies verdeutlicht die Schwierigkeiten, mit denen sich die Branche auseinandersetzen muss.

Die rückläufigen Umsätze sind teilweise auf fallende Erzeugerpreise zurückzuführen, die durch die Überkapazitäten auf den globalen Märkten weiter unter Druck geraten. Zugleich wirkt sich die geringe Auslastung der Produktionsanlagen direkt auf die Rentabilität der Unternehmen aus. Dies führt zu einem zyklischen Problem, bei dem die Unternehmen weniger investieren, was wiederum die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche schwächt.

Darüber hinaus ist die Produktionsstagnation besonders besorgniserregend, da sie nicht nur kurzfristige Umsatzeinbußen bedeutet, sondern auch langfristig die Fähigkeit der deutschen Chemieindustrie gefährdet, auf globalen Märkten konkurrenzfähig zu bleiben. Die Tatsache, dass die Produktion nicht wächst, obwohl die globalen Märkte langsam wieder anziehen, signalisiert tiefgreifende strukturelle Probleme, die einer dringenden Lösung bedürfen.

Ursachen des Rückgangs

Die anhaltende Schwäche der deutschen Chemieindustrie lässt sich auf eine Kombination mehrerer Faktoren zurückführen. Ein zentraler Punkt ist die weltweit schwache Nachfrage nach chemischen Produkten, die besonders stark in Europa spürbar ist. Diese Nachfrageflaute hat direkte Auswirkungen auf die Auftragsbücher der deutschen Chemieunternehmen und damit auf die gesamte Produktionskette.

Hinzu kommen strukturelle Probleme am deutschen Standort selbst. Zu diesen zählen insbesondere hohe Energiekosten, die im internationalen Vergleich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Chemieunternehmen beeinträchtigen. Deutschland zeichnet sich durch vergleichsweise strenge Umweltauflagen und hohe Abgaben auf Energie aus, was die Kosten für die energieintensive Chemieproduktion in die Höhe treibt.

Bürokratische Hürden stellen eine weitere wesentliche Barriere dar. Lange Genehmigungsverfahren und komplexe regulatorische Anforderungen verlangsamen nicht nur die Umsetzung neuer Technologien und Produktionsprozesse, sondern auch die notwendigen Anpassungen in bestehenden Anlagen. Dies führt zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten, die insbesondere in einem schnelllebigen globalen Markt schwerwiegende Nachteile mit sich bringen.

Die Kombination dieser Faktoren – schwache globale Nachfrage, hohe Energiekosten und bürokratische Hindernisse – schafft ein schwieriges Umfeld für die Chemieindustrie in Deutschland, das dringend adressiert werden muss, um die langfristige Lebensfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit der Branche zu sichern.

Kritik an der Regierung

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) äußert scharfe Kritik an der Bundesregierung, der es nach seiner Ansicht nicht gelingt, die strukturellen Herausforderungen der Chemieindustrie effektiv anzugehen. Besonders im Fokus steht das Versäumnis, die hohen Energiekosten zu reduzieren, die für die energieintensive Branche eine massive Belastung darstellen.

Die politische Führung wird zudem für ihre generelle Untätigkeit kritisiert. Laut VCI fehlt es an konkreten Maßnahmen und Unterstützungen, um die Industrie in diesen schwierigen Zeiten zu stärken. Diese Kritik spiegelt die Frustration der Branche wider, die sich im Stich gelassen fühlt, besonders in Anbetracht der globalen Wettbewerbsnachteile, die durch verzögerte politische Entscheidungen noch verstärkt werden.

Die Regierung steht auch deshalb in der Kritik, weil sie laut Branchenverband nicht genügend tut, um die bürokratischen Hürden zu senken, die Innovationen und Investitionen hemmen. Die langsamen Genehmigungsprozesse und die komplexe Regulierungslandschaft in Deutschland werden als weitere Hindernisse gesehen, die den Standort Deutschland für bestehende und potentielle neue Investoren in der Chemieindustrie unattraktiv machen.

Politische Maßnahmen für eine zukunftsfähige Chemieindustrie

Um die deutsche Chemieindustrie zu stärken und sie für zukünftige Herausforderungen besser aufzustellen, sind umfassende politische Maßnahmen erforderlich. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Überarbeitung der Energiepolitik. Eine Reform des Energiemarktes sowie eine Senkung der Stromsteuer könnten signifikant zur Reduktion der hohen Energiekosten beitragen. Zudem würde der verstärkte Ausbau und die Förderung erneuerbarer Energien eine langfristig stabilere und kostengünstigere Energieversorgung ermöglichen.

Weiterhin ist der Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und Technologien von hoher Bedeutung. Diese Maßnahmen würden es Unternehmen ermöglichen, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und innovative Technologien zur Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung einzuführen.

Die Förderung von Forschung und Entwicklung, insbesondere in den Bereichen nachhaltige Chemie und Digitalisierung, ist ebenfalls essentiell. Dies könnte nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieindustrie stärken, sondern auch den Technologietransfer zwischen Industrie und Wissenschaft fördern.

Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu stärken, könnte die Politik Handelsabkommen optimieren oder neue schließen, die den Zugang zu neuen Märkten erleichtern und den Schutz vor unfairem Wettbewerb verbessern. Ebenso wichtig ist die Unterstützung der Industrie bei der Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Politische Rahmenbedingungen, die Innovationen in diesem Sektor fördern und den Einsatz von Recyclingmaterialien erleichtern, sind dabei zentral.

Schließlich spielt die Förderung von Aus- und Weiterbildung eine wichtige Rolle. Durch die Sicherstellung des Fachkräftenachwuchses und die Anpassung der Ausbildungsinhalte an die Anforderungen der digitalen und grünen Transformation kann die Innovationskraft der Chemieindustrie nachhaltig gestärkt werden.

Ausblick und Hoffnung

Trotz vereinzelter Berichte über eine leicht verbesserte Auftragslage, insbesondere aus dem Ausland, bleibt eine breite konjunkturelle Trendwende in der deutschen Chemieindustrie aus. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) prognostiziert für das Jahr 2024 einen weiteren Rückgang des Branchenumsatzes um 3,5 Prozent. Diese Prognose spiegelt die anhaltenden globalen und lokalen Herausforderungen wider, mit denen die Branche konfrontiert ist.

Die Hoffnung auf eine baldige Erholung ist gedämpft, und die Zukunft der deutschen Chemieindustrie scheint, zumindest kurzfristig, weiterhin von Unsicherheit geprägt zu sein. Dennoch könnte eine erfolgreiche Umsetzung der oben diskutierten politischen Maßnahmen mittel- bis langfristig zu einer Verbesserung der Lage führen. Diese Verbesserungen hängen jedoch stark von der Bereitschaft und Fähigkeit der politischen Entscheidungsträger ab, notwendige Reformen durchzuführen und die Industrie effektiv zu unterstützen.